Die manuelle Abwicklung von Zollformalitäten erfordert erheblichen Zeitaufwand und birgt das Risiko von Fehlern. Insbesondere die Zolltarifierung bereitet vielen Händlern Schwierigkeiten. Die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) kann dazu beitragen, die Herausforderungen bei der Tarifierung zu überwinden, wodurch finanzielle Verluste und Compliance-Probleme vermieden werden können.
Welche praktischen Hürden ergeben sich häufig bei der Zolltarifierung? Es gibt zahlreiche Herausforderungen, wie beispielsweise veraltete Formulierungen in den Definitionen/Positionen des Zolltarifs, zahlreiche Querverweise innerhalb der Nomenklatur oder unterschiedliche Interpretationen des Zolltarifs. Darüber hinaus ist die Gesamtheit der Rechtsquellen oft unübersichtlich und teilweise in verschiedenen Sprachen nicht einsehbar. Ebenso kommt es vor, dass eine große Menge an Datensätzen unter Zeitdruck korrekt tarifiert werden muss, und fehlende Produktinformationen und/oder unklare Warenbeschreibungen machen die Warenidentifikation sehr aufwendig, manchmal sogar unmöglich.
Wie kann künstliche Intelligenz bei der Tarifierung helfen?
Im Vergleich zu Fuzzy Matching- und Entscheidungsbaum-Lösungen bietet die Deep Learning-Technologie bzw. das Large Language Model (LLM) eine umfassende und uneingeschränkte Möglichkeit zur automatischen Warentarifierung. Durch die Verwendung proprietärer KI-Modelle und hochqualitativer Datenquellen kann die KI so trainiert werden, dass sie eigenständig eine Funktion aus der Warenbeschreibung sowie weiteren Eingangsparametern zur Tarifnummer erlernt. Die Trainingsdaten, auch als ground truth Data bezeichnet, sollen in der EU die publizierten Einreihungsentscheidungen sowie in der Schweiz die Entscheiden und Erläuterungen sein, um die Objektivität zu gewährleisten. Dabei wird die KI durch ein riesiges neuronales Netzwerk modelliert, das während des Trainingsprozesses das Wissen aus historischen Entscheidungen aus proprietären Datenquellen in das neuronale Netz destilliert.
Im Gegensatz zum reinen Auswendiglernen von Daten lernt die KI, die zugrunde liegenden Konzepte und Regeln zu generalisieren und die Zusammenhänge zu verstehen. Dadurch erreicht die KI eine höhere Genauigkeit bei der Tarifierung. Die Zusammenarbeit von KI-Software und menschlicher Intelligenz führt in der Regel zu einer höheren Produktivität und geringeren Fehlerquoten. Die KI kann Fehler erkennen, die dem Menschen entgehen. Umgekehrt verfügt der Mensch über Wissen, das der KI fehlt. Dieses „Vier-Augen-Prinzip“ – oder „Human in the Loop“ – ist vor allem wichtig bei uneindeutigen oder schwierigen Tarifierungsfällen, etwa wenn Informationen fehlen oder die Entscheidungen komplex sind.
Lieber früher als später: Wie können Sie Ihre Kosten und Ärger sparen?
Eine korrekte zolltarifliche Einreihung ist von grosser Bedeutung. Fehler in diesem Bereich können weitreichende Folgen haben: Compliance- und finanzielle Risiken wie der Verlust zollrechtlicher Bewilligungen und Vereinfachungen, verstärkte Kontrollen und Zollprüfungen, Nacherhebungen oder zu viel gezahlte Abgaben sind nur einige der möglichen Konsequenzen. Um solche Risiken zu vermeiden, sollten Händler bereits im Einkaufsprozess die zolltariflichen Auswirkungen berücksichtigen und sicherstellen, dass sie die korrekten Tarifnummern verwenden.
Über die Autorin
Lilla Zsitnyánszky ist Head of Customs bei traide AI GmbH. Das Berliner Unternehmen traide nutzt KI-Technologie und kombiniert diese mit der Unterstützung langjährigen Zollexperten, um die Sicherheit und Effektivität der Zolltarifierung zu verbessern. Weitere Informationen rund um das Thema Technologie-getriebene Zolltarifierung finden Sie im traide Blog.
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